Es ist sicher kein Zufall, dass Sie auf dieser Website gelandet sind. Sie mögen wahrscheinlich Mathematik – und sicher knobeln Sie auch gern. Damit Sie an den hier versammelten Rätseln nicht verzweifeln, möchte ich Ihnen ein paar Tipps geben. Leider kann ich Ihnen keine allgemein gültige Lösungsstrategie liefern – die gibt es schlicht nicht. Aber zumindest ein paar Ideen, wie man sich Kopfnüssen nähert.
Nicht aufgeben, dranbleiben
Seien Sie beharrlich! Wenn Sie ein Problem lösen wollen, sollten Sie es erst einmal gründlich durchdenken. Klicken Sie nicht gleich zu den Lösungen, wenn Sie nicht sofort vorankommen. Haben Sie Geduld, lassen Sie das Problem ruhig erst mal sacken. Wenn Sie nicht weiterkommen, probieren Sie einfach erst einmal das nächste Rätsel. Das bringt Sie auf andere Gedanken und kann helfen, das bislang ungelöste Problem zu knacken. Womöglich kommt die zündende Idee auch ganz überraschend – zum Beispiel am nächsten Morgen beim Zähneputzen.
Aufgabentext genau analysieren
Zuallererst müssen Sie natürlich die Aufgabe selbst verstehen. Wenn Ihnen beim Lesen des Textes etwas spanisch vorkommt, sollten Sie auforchen. Oft liefern solche Stolpersteine in der Aufgabe nämlich wertvolle Hinweise. Nehmen wir als Beispiel das folgende Rätsel:
Zwei russische Mathematiker treffen sich zufällig im Flugzeug.
»Du hast drei Söhne, nicht wahr?«, fragt der eine. »Wie alt sind die denn jetzt?«
»Das Produkt der Jahre ist 36«, lautet die Antwort, »und die Summe der Jahre ist genau das heutige Datum.«
»Hm, das reicht mir noch nicht«, meint darauf der Kollege.
»Oh ja, stimmt, ich habe ganz vergessen zu erwähnen, dass mein ältester Sohn einen Hund hat.«
Wie alt sind die drei Söhne?
Finden Sie den Hinweis auf den Hund auch seltsam? Wenn Sie genauer darüber nachdenken, merken Sie, dass anstelle des Hundes auch eine Katze, eine Spielkonsole oder eine Haarfarbe stehen könnte. Trotzdem ist dieser Satz wichtig, aber wegen eines anderen Details. Es gibt offenbar einen ältesten Sohn.
Systematisch vorgehen
Sofern die möglichen Lösungen halbwegs überschaubar sind, kann es sich lohnen, alle denkbaren Kombinationen aufzu- schreiben und sich jede einzeln anzuschauen. Das gilt ganz besonders für Logikrätsel. Beispiel: Sie haben die Aussagen von drei Personen und wissen, dass eine davon lügt. Wer könnte der Lügner sein?
Person A: »B lügt.«
Person B: »C lügt.«
Person C: »Ich lüge nicht.«
Machen Sie eine kleine Tabelle, auch Wahrheitstabelle genannt, in der alle möglichen Fälle als eigene Spalte auftauchen:
Fall 1 | Fall 2 | Fall 3 | |
Person A: »B lügt« | Lüge | Wahrheit | Wahrheit |
Person B: »C lügt« | Wahrheit | Lüge | Wahrheit |
Person C: »Ich lüge nicht« | Wahrheit | Wahrheit | Lüge |
möglich | möglich | Widerspruch |
Dann untersuchen Sie für jeden Fall, ob die Aussagen dazu passen. Für die Fälle 1 und 2 trifft das zu, im Fall 3 jedoch gibt es einen logischen Widerspruch. A behauptet, dass B lügt – aber der Lügner soll in diesem Fall ja C sein. Wegen dieses Widerspruchs ist Fall 3 nicht möglich und entfällt. Damit wissen wir, dass C auf jeden Fall nicht lügt ist und somit die Wahrheit sagt. Die lügende Person ist entweder A oder B.
Wenn möglich, vereinfachen
Oft geht es darum, etwas ganz allgemein zu beweisen – für alle denkbaren Konstellationen oder zumindest für große Anzahlen. Das kann einen überfordern, wenn man sich in das Problem hineindenken möchte. Wenn an einem Tisch zum Beispiel 100 Lügner und 100 Wahrheitsliebende sitzen, die komische Dinge sagen, schauen Sie sich doch erst mal eine stark vereinfachte Version an. Am Tisch sitzen dann eben zunächst nur zwei Lügner und zwei Personen, die stets die Wahrheit sagen. Versuchen Sie, das Problem erst in der simpleren Variante zu lösen. Wahrscheinlich finden Sie dabei auch Wege, das größere Problem zu knacken.
Anders denken
Ausgetretene Pfade verlassen – das ist eine der wichtigsten Methoden, um kreative Ideen zu entwickeln. In der Mathematik fällt das oft schwer, weil wir einfach zu sehr in Lösungstechniken denken, die wir gelernt haben. Das ist wie Reisen mit der Eisenbahn. Wir können so nur die Orte erreichen, zu denen auch Schienen führen. Oft hilft es schon, den Blickwinkel zu wechseln oder die Problemstellung etwas zu verändern. Vielleicht lässt sich eine Aufgabe mit Zahlen auch geometrisch lösen? Ein paar Beispiele:
Ein Mann startet seine Wanderung um 10 Uhr im Tal, um 14 Uhr kommt er an der Berghütte an. Dort übernachtet er und startet am nächsten Morgen um 10 Uhr die Wanderung zurück ins Tal. Weil es bergab geht, ist er eine ganze Weile vor 14 Uhr wieder zurück. Beweisen Sie, dass es mindestens eine Uhrzeit zwischen 10 und 14 Uhr gibt, zu der sich der Wanderer an beiden Tagen in exakt derselben Höhe befunden hat!
Wir wissen nichts über den Höhenverlauf der Wanderung und auch nichts über die Wandergeschwindigkeit. Trotzdem ist die Lösung ganz einfach, wenn wir die Aufgabe etwas verändern: Zwei Männer starten um 10 Uhr eine höchstens vierstündige Wanderung. Der eine steigt aus dem Tal kommend auf den Berg, der andere ist in der entgegengesetzten Richtung unterwegs. Beweisen Sie, dass es mindestens eine Uhrzeit zwischen 10 und 14 Uhr gibt, zu der sich die Wanderer in exakt derselben Höhe befinden!
Nun, die Lösung ist einfach: Es ist der Moment, in dem sich die beiden Wanderer auf dem Wanderweg begegnen.
Noch eine andere Aufgabe:
Wie groß ist die Summe
1+2+3+4+…+97+98+99+100?
Man könnte das natürlich im Kopf oder mit einem Taschenrechner ausrechnen. Aber schon der junge Carl Friedrich Gauß wusste einen besseren Weg. Er sortierte die Zahlen um:
Wie groß ist die Summe
1+100+2+99+ …+50+51?
Das Ergebnis können wir direkt hinschreiben – es lautet 50 × 101 = 5.050.
Im letzten Beispiel für kreative Lösungswege geht es um einen Kalender, bei dem ein ganz besonderer Trick gefragt ist:
Ein Mann hat zwei Holzwürfel, mit denen er den Tag eines Monats von 01 bis 31 darstellen kann. Welche Ziffern stehen auf den Seiten der beiden Würfel? Die Analyse des Problems ist relativ leicht: Auf jeden Würfel passen nur sechs Zifern, also muss man die Zifern von 0 bis 9 über beide Würfel verteilen. Fragt sich bloß wie? Die Tage eines Monats beginnen mit 01 und gehen bis 31. Es gibt also auf jeden Fall eine 11 und eine 22 – also müssen die 1 und die 2 auf beiden Würfeln vorkommen. Wir brauchen jedoch auch auf beiden Würfeln die 0, um alle Tage von 01 bis 09 darstellen zu können. Denn es gibt neun Zifern von 1 bis 9, und auf einen Würfel passen nur sechs verschiedene. 0, 1, 2 – damit sind auf den zwei Würfeln schon drei Seiten belegt. Sechs der insgesamt zwölf Seiten sind noch frei – dummerweise sind aber noch sieben Zifern übrig –, nämlich 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9. Wenn wir zum Beispiel den ersten Würfel mit 0, 1, 2, 3, 4, 5 und den zweiten mit 0, 1, 2, 6, 7, 8 beschriften, ist die 9 nicht untergebracht. Was nun? Existiert womöglich gar keine Lösung?
Doch, es gibt eine, und wir haben sie sogar schon gefunden. Denn wenn wir eine 9 brauchen, stellen wir die 6 einfach auf den Kopf – und damit ist das Rätsel des Würfelkalenders gelöst.
Social Engineering
Manchmal sitze ich an einer Knobelaufgabe, von der ich fürchte, dass sie womöglich unüberschaubar viele Lösungen haben könnte. Nehmen wir folgendes Beispiel:
Finden Sie alle zehnstelligen Primzahlen, die jede der zehn Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 enthält.
(Eine Primzahl ist nur durch 1 und sich selbst teilbar.)
Wenn Sie sich ein wenig mit Kombinatorik auskennen, wissen Sie, dass aus den zehn Ziffern mehr als 3 Millionen verschiedene Zahlen gebildet werden können. Wie soll man bei jeder davon prüfen, ob sie eine Primzahl ist? Wer denkt sich eine so schwierige Aufgabe aus? Viel wahrscheinlicher ist, dass es nur eine einzige oder gar keine Lösung gibt. In unserem Fall trifft Letzteres zu: Die Quersumme aller aus den zehn Zifern gebildeten Zahlen ist immer gleich, nämlich 45(=1+2+3+4+5+6+7+8+9). Und 45 ist sowohl durch 3 als auch durch 9 teilbar. Damit haben wir bewiesen, dass alle diese Zahlen selbst durch 3 und 9 teilbar sind – und dass sie deshalb keine Primzahlen sein können.
Indirekt statt direkt
Eben ging es um theoretisch mehr als drei Millionen verschiedene Zahlen. Wir gehen noch einen Schritt weiter bis zu unendlich vielen.
Beweisen Sie, dass es unendlich viele Primzahlen gibt!
Wir könnten versuchen, alle Primzahlen durchzunummerieren. Dabei würden wir feststellen, dass das Ganze einfach kein Ende nimmt. So kriegt man den Beweis auf keinen Fall hin. Statt das Problem direkt zu lösen, gehen wir indirekt vor – quasi hintenherum. Einbrecher machen es im Grunde genauso: Sie knacken nicht etwa das dicke Schloss an der Hauseingangstür. Nein, sie gehen zur Rückseite des Hauses und finden dort ein leicht zu öffnendes Kellerfenster.
Bei einem indirekten Beweis beweisen wir eine Aussage nicht direkt – wir widerlegen stattdessen ihr Gegenteil. Dass indirekte Beweise überhaupt möglich sind, liegt an der logischen Konsistenz der Mathematik. Eine Aussage ist entweder richtig oder falsch. Und zwei sich widersprechende Aussagen können nicht zugleich wahr sein.
Wir nehmen also an, dass es nur endlich viele Primzahlen gibt – und zwar n. Diese Primzahlen nennen wir p1, p2, p3 … pn. Nun bilden wir das Produkt:
p1×p2×p3×…×pn
Das ist eine natürliche Zahl mit einer interessanten Eigenschaft: Sie ist durch jede der n Primzahlen p1, p2, p3 … pn teilbar. Denn die Zahl ist ja das Produkt all dieser Primzahlen. Jetzt kommt der eigentliche Trick. Wir addieren zu dem Produkt der n Primzahlen noch die Zahl 1 hinzu:
p1×p2×p3×…×pn +1
Diese Zahl ist ebenfalls eine natürliche Zahl. Allerdings ist sie durch keine der n Primzahlen teilbar, sie lässt bei der Division vielmehr immer den Rest 1. Deshalb muss diese Zahl entweder selbst eine Primzahl sein, die nicht in p1, p2, p3 … pn enthalten ist – oder sie ist das Produkt zweier oder mehrerer Primzahlen, die nicht zu den n vorgegebenen Primzahlen gehören. Das widerspricht jedoch unserer Annahme, dass nur n Primzahlen existieren. Also ist die Annahme, dass es endlich viele Primzahlen gibt, falsch – was wiederum bedeutet, dass es unendlich viele davon gibt. Damit ist der Satz bewiesen.
Zugegeben: Indirekte Beweise lesen sich komisch, man muss auch höllisch aufpassen, was das Gegenteil einer Aussage ist. Aber die Methode ist sehr hilfreich.
Schubfachprinzip
Sie kennen das: Den ganzen Tag müssen wir Dinge ordnen und sortieren. Schubfächer haben sich dabei als hilfreich erwiesen – in virtueller Form auch in der Mathematik! Wie das Schubfachprinzip funktioniert, zeigt die folgende kleine Aufgabe:
Im Keller des Sportvereins stehen Skistöcke in den Farben Weiß, Rot, Blau und Grün. Sie sind alle gleich lang. Der Zeugwart will ein Paar Stöcke holen. Doch leider ist das Licht im Keller ausgefallen und er sieht überhaupt nichts. Wie viele zufällig gegriffene Stöcke muss er mit nach oben bringen, damit auf jeden Fall zwei gleicher Farbe darunter sind?
Oben gibt es vier Schubfächer für Skistöcke, jedes ist für eine andere Farbe vorgesehen. Wenn wir wahllos fünf Stöcke greifen und diese dann in die Schubfächer sortieren, sind wir beim fünften Skistock mit Sicherheit am Ziel. Denn entweder befinden sich bereits mindestens zwei Stöcke in einem Fach. Oder der fünfte Stock gehört zwingend in ein Fach, in dem bereits ein Stock liegt.
Domino-Methode
Wenn es um Aussagen geht, die für alle natürlichen Zahlen n zutrefen, kann die sogenannte vollständige Induktion das Mittel der Wahl sein. Ich nenne sie allerdings lieber Domino-Methode, denn dann versteht man sofort, wie ein solcher Beweis funktioniert.
Was sind die Voraussetzungen dafür, dass alle auf einem Tisch aufgestellten Dominosteine umfallen? Es sind genau zwei: Der erste Stein muss fallen. Und jeder Stein steht so, dass er beim Kippen seinen Nachfolger zu Fall bringt.
Als Beispiel für die Domino-Methode nehmen wir die Summenformel für ungerade natürliche Zahlen. Schauen Sie sich bitte einmal folgende Gleichungen an:
1=1=12
1+3=4=22
1+3+5=9=32
1+3+5+7=16=42
1+3+5+7+9=25=52
Offenbar addieren sich aufeinanderfolgende ungerade Zahlen, wenn man mit der 1 beginnt, immer zu einer Quadratzahl. Ungerade Zahlen können wir in der Form 2n + 1 oder 2n – 1 schreiben, wobei n eine natürliche Zahl ist. Wenn wir auf der rechten Seite der Gleichung n2 notieren, dann muss die größte ungerade Zahl links 2n–1 sein. Allgemein geschrieben lautet unsere Vermutung daher:
1+3+…+2n–1=n2
Nun zum Domino-Beweis: Für n = 1, 2, 3, 4, 5 gilt die Formel auf jeden Fall. Das bedeutet, dass nicht nur der erste, sondern sogar die ersten fünf Dominosteine auf jeden Fall umkippen. Der Anfang ist also gemacht. Jetzt greifen wir uns einen beliebigen Dominostein heraus, den Stein Nummer i. Dabei ist i eine natürliche Zahl. Wir nehmen an, dass dieser Stein umkippt. Und Umkippen bedeutet hier, dass die Summenformel für ihn zutrifft.
Summe(i)=1+3+5+…+2i–1=i2
Was aber ist mit dem nächsten Stein mit der Nummer i+1? Trifft die Summenformel für ihn auch zu? Das können wir relativ leicht ausrechnen. Um die Summenformel für i + 1 zu erhalten, muss ich zu der Summenformel von i nur die nächste, fehlende ungerade Zahl addieren. Und diese lautet 2(i + 1) – 1
Summe(i+1)
= Summe(i)+2(i+1)–1
= Summe(i)+2i+1
= i2 +2i+1
Der Ausdruck auf der rechten Seite dürfte Ihnen bekannt vorkommen. Es handelt sich um die binomische Formel
(a+b)2 = a2 + 2ab + b2
Wobei a=i und b=1 ist. Also erhalten wir:
Summe (i+1) = (i+1)2
Damit haben wir gezeigt, dass die Summenformel auch für n = i + 1 gilt, sofern wir voraussetzen, dass sie für n = i zutrifft. Das bedeutet, dass unsere Summenformel für alle beliebigen natürlichen Zahlen n gültig ist.